Konduktive Förderung

Die Förderung, die alle bewegt

"Liebst Du mich nicht Mami, weil ich nicht gehen kann?" Dieser Satz des spastisch gelähmten 4-jährigen Simon brachte seine Eltern zur Konduktiven Förderung nach Ungarn. Nach vier Wochen ganzheitlicher Konduktiver Förderung kam Simon seiner Mutter an Dreipunkt-Stöcken aufrecht entgegen gelaufen. Das schönste Erlebnis für seine Mutter und ein großes Glück für Simon...

Die Konduktive Förderung nach András Petö ist unsere Keimzelle. Der Begriff "Konduktiv" leitet sich vom lateinische "conducere" = zusammenführen, hinführen, weiterführen, nutzen ab. Ohne diese Fördermethode und deren fantastische Erfolge bei Kindern und Erwachsenen, gäbe es FortSchritt nicht. Die Konduktive Förderung und FortSchritt sind daher untrennbar miteinander verbunden.

So sieht Konduktive Förderung in der Praxis aus

Die Konduktive Förderung verbinden wir mit einer Reihe grundsätzlicher Überzeugungen, die am besten die folgenden Auszüge aus einem 2015 geführten Interview mit Hanni von Quadt zum Ausdruck bringen:

Und in Deutschland gab es diese Haltung nicht?

Nein. Es war technisch und funktionell. Es wird einem vermittelt: Du als Mutter musst machen, damit etwas herauskommt! Ich bin verantwortlich als Mutter, dass das Kind Fortschritte macht. Und wenn du die Therapie als Mutter nicht regelmäßig machst, dann bleibt er halt schwerstbehindert. Da war schon ein Druck, (…) viermal am Tag musst du das machen. Und du hast immer ein schlechtes Gewissen. Man hat sich gefreut, wenn das Kind krank war, weil es Fieber hatte, weil man dann nicht Turnen musste. Dieser Druck dahinter, das gab es bei Petö überhaupt nicht. Da macht das Kind selber und will ja auch selber. Das Einzige ist, man muss motivieren können! Und man muss sich freuen können – das ist schon ein großer Unterschied.

Ihr Mann fährt berufsbedingt nach Ungarn und lernte dort die Petö-Methode kennen?

Er lernte die Petö-Methode eigentlich gar nicht kennen, sondern spürte nur die Atmosphäre in diesem Haus. Das kann man schwer erklären. Er kannte nur Krankenhausatmosphäre, steril, unnahbar und sachlich. Aber wenn man ins Petö-Institut kam, herrschte eine sehr menschliche Atmosphäre. Da wurde man begrüßt, es gab eine Kuchentheke. Die Angestellten kamen und küssten die Kinder, da war viel Miteinander. Auch die Konduktoren hatten keinerlei Scheu vor Behinderungen, man sah schließlich auch sehr schlimme Sachen. Es war einfach menschlich dort – Und ist es immer noch.

Von den Eltern wird aber auch viel gefordert. Kann man erwarten, dass jede Mutter nach dieser Methode mit ihrem behinderten Kind umgehen kann?

Nein. Man muss es wirklich mögen und das Umdenken muss zuerst im Kopf stattfinden. Dass man nämlich dem Kind auch etwas zutraut. Das ist wahnsinnig schwierig, wie schnell langt man hin, zieht schnell mal die Schuhe an, kämmt, weil es eben schneller geht im normalen Alltag. Man muss einfach langsamer leben. Als ich wieder mit Simon Zuhause war, standen wir alle um 4:30 Uhr auf, die ganze Familie. Er ist aus dem Bett raus, er ist mit seinen Stöcken ins Bad gelaufen, putzte sich alleine die Zähne, ging alleine auf die Toilette, dann zum Frühstückstisch. Er schmierte sein Brot alleine. Da braucht man schon Geduld. Und die Tatijana hat das mitgemacht, sie stand auch so früh auf. Das war uns ganz wichtig, Frühstück und Abendessen miteinander. Das waren jeden Morgen zweieinhalb Stunden bis der Bus kam.
 

Und was ist so besonders an der Petö-Methode?

Es gibt keine Einzeltherapie, das Kind ist immer in der Gruppe und nichts wird korrigiert. Den Kindern wird nie gesagt: "Du kannst das nicht." Sondern es wird gesagt: "Probier es mal so, vielleicht schaffst du es dann!" Immer positiv, ganz positiv...Immer.

Warum waren immer Sie der Motor und blieben das über Jahrzehnte? Sie gründeten als erste diese Selbsthilfegruppe und nicht andere Eltern.

Das kann nicht jeder. Ich weiß es nicht. Mich fragen oft Eltern: "Warum macht ihr das immer noch? Warum habt ihr das so vorangetrieben?" Aber ich glaube, daran war mein Mann Schuld. Endlich sah er bei Simon einen Erfolg. Die Motivation ist immer (noch) die Fortschritte der Kinder. Und natürlich hatte das einfach mit Ungarn zu tun. Mein Mann und ich, wir fragten uns immer: "Warum gibt es so eine tolle Sache nur in Ungarn? Warum will in diesem hoch entwickelten Deutschland niemand etwas davon wissen?"


1990 machten Sie also die erste Therapie, statt drei Wochen blieben Sie acht Wochen. Sie erwähnten eine Elternschule und dass Sie alles mitgeschrieben haben während der Therapie, und zwar nicht nur das, was Sie betraf, sondern alles, auch für andere Mütter. Hatten Sie da schon die Idee, die Therapie nach Deutschland zu bringen?

Für uns war das ganz selbstverständlich, dass wir die Konduktive Förderung nach Deutschland bringen. Also für meinen Mann und mich war das ganz logisch, und zwar als Simon mit den Stöcken laufen konnte. Das konnte er nach seinen ersten sechs Wochen Petö-Förderung. Ich blieb dann noch zwei Wochen länger. In der Elternschule mussten die Mütter, Väter oder andere Bezugspersonen lernen, wie man das Kind auf der Pritsche behandelt, wie es stehen muss, wie man es hinstellt. (…) Wir fuhren dann jedes Jahr acht Wochen nach Ungarn ins Petö-Institut. Das ging bis 1995, in dem Jahr lebte ich sechs Monate in Ungarn. Schwierig wurde es erst, als die Kinder eingeschult wurden. Ich konnte Tatijana nicht mehr mitnehmen und Simon nicht mehr so lange von der Schule beurlauben. Das hat uns dann zusätzlich motiviert.